NEBELPFADE

Fantasy-Roman für Kinder und Jugendliche ab 10 Jahren und jung gebliebene Erwachsene,

mit 11 Illustrationen zu den Kapiteln

Im Selbstverlag erschienen bei Neobooks / Epubli

ISBN 978-37502-0357-0

11,50 Euro

Ich schicke es gern auch signiert zu

Der Schamane der Goblins sieht eine der seltenen und problematischen Zwillingsgeburten voraus und
will verhindern, dass man das schwächere Kind sterben lässt.
Denn er weiß auch, dass auf den schmalen Schultern des Nachzüglers eines schönen Tages eine riesige
Verantwortung lasten wird. Womöglich das Schicksal aller freien Völker.
Kann es einem einzelnen jungen Goblin gelingen, die verfeindeten Menschen wieder zu Verbündeten zu
machen und sie mit ihren eigenen Zauberern zu versöhnen, die ein Schattendasein fristen müssen?
Die Gegner sind stark.
Nicht nur die riesigen Trolle gilt es zu bekämpfen, auch die böse, allumfassende Macht hinter ihnen...

Leseprobe

Auszug aus "Die Mutprobe"

„Bis bald, Kleiner!“

Die Worte klangen eindeutig überheblich. Kjell würde als „Erwachsener“ zurückkehren und sicher darauf bestehen, nicht mehr mit einem Kind die Höhle teilen zu müssen.

„Viel Glück.“ Kjeran begann seufzend seine Sachen zusammenzuräumen, damit er sie aus der Schlafhöhle schaffen konnte, wenn Kjell zurückkam. Ganz sicher würde dieser den Nachzügler nicht einen Moment länger in seiner Nähe dulden, eingebildet wie er war.

Kjeran erschrak, als noch jemand in die Höhle kam. Es war einer der Heiler, die ihn unterrichteten, aber selbst keine Schamanen waren. „Du bist schon wach, das ist gut. Haben sie gerade deinen Bruder geholt?“, flüsterte der noch recht junge Goblin mit einem lästernden Unterton. „Zieh dich an, du bist auch heute dran. Ich soll dich zu deiner Prüfung bringen.“

Kjeran sah seinen Lehrer verblüfft an, zögerte aber nicht, den Anweisungen Folge zu leisten. Er zog sich eine Hose und ein Hemd über und tappte dem Heiler hinterher. In seinen Gedanken war plötzlich alles leer. Dafür war er fast dankbar, denn so konnte er auch keine Angst empfinden. Niemand, der seine Prüfung schon hinter sich hatte, sprach darüber. Fast so, als wäre es ihm peinlich. Selbst sein Vater hatte sich nichts entlocken lassen.

Der Hohe hatte ihm auf seine Frage, was bei den Prüfungen geschah, nur geantwortet, dass jeder Prüfling mit seinen tiefsten inneren Ängsten konfrontiert werden würde. Das sei alles. Jeder Goblin hatte vor irgendetwas Angst und diese Angst musste er bei der Prüfung überwinden. Da viele Goblins behaupteten, sich vor nichts und niemanden zu fürchten, war es ihnen extrem peinlich zu erleben, wie auch ihnen in bestimmten Situationen die Knie schlotterten. Daher schwiegen sie eisern.

Das verstand Kjeran durchaus. Er hatte vor vielen Dingen Angst und wusste nicht recht, welcher Furcht er sich würde stellen müssen. Der Hohe hatte es sicher in seinen Gedanken gelesen, und Kjeran war versucht, in sich selbst zu forschen, welche Art Angst seine Tiefste sein mochte. Er wusste es nicht.

Sie gelangten in eine kleine Höhlenhalle, die Kjeran bislang nicht kannte. Dort warteten bereits ein Schreiber und zwei Höhlenwachen. Der Hauptmann schloss gerade die Tür zu einer Seitenhöhle, in der Kjeran noch einen Blick auf seinen siegessicher lächelnden Bruder werfen konnte.

Der Schreiber ließ sich Kjerans Namen nennen und notierte ihn in einem Buch, dann führte der Heiler ihn zu einer anderen Tür und erklärte kurz die Aufgabe. Kjeran versuchte, das spöttische Grinsen der Wachen zu ignorieren, um sich ganz auf das zu konzentrieren, was der Heiler sagte. Doch es war nicht viel.

„Du musst einfach nur dem Tunnel hinter dieser Tür folgen. Er führt auf direktem Weg zu einem Ausgang in der Nähe des Haupttores. Wenn du deine Prüfung bestanden hast, kommst du durch das Haupttor wieder herein. Wenn du durch diese Tür hier zurückkehrst, bist du durchgefallen. Ein Zurück gibt es immer, wir zwingen dich zu nichts. Unterwegs wirst du etwas finden, das du mitbringen musst. Du wirst schon wissen, was.“

Kjeran nickte, er hatte verstanden, es war schließlich denkbar einfach. Das Problem war das, was der Heiler verschwieg. Die Gefahren, die auf den Prüfling lauerten. Oder würde er womöglich gar nicht auf echte Gefahren stoßen? Schließlich kehrten alle Goblins von ihrer Prüfung zurück.

Ohne weiteres Zögern, das seine zitternden Knie eigentlich von ihm forderten, betrat Kjeran den Gang hinter der Tür. Es war sehr düster dort, und sein Mut sank bereits, bevor die Tür zuschlug und das letzte Licht ausschloss. Er brauchte einen Augenblick, dann gewöhnte er sich an die Dunkelheit, die in den Höhlen niemals so allumfassend sein konnte, dass Goblinaugen überfordert waren.

Langsam ging er den Tunnel entlang, spähte dabei in jeden Winkel. Er hatte schließlich keine Zeitvorgabe bekommen. Einzig die Tatsache, dass er weder Wasser noch Nahrung bei sich trug und zudem kein Frühstück im Bauch hatte, begrenzte den Aufenthalt in den Höhlen zwangsweise.

Wie lange er schon gegangen war, konnte er nicht bestimmen. Der Gang schien endlos geradeaus zu verlaufen und war sehr gleichmäßig geformt. Längst hatte er die Orientierung verloren, wo in etwa er sich innerhalb des Gebirges befand.

Langsam wurde er müde und so erschrak er fürchterlich, als er vor sich eine Veränderung bemerkte.

Dort wurde es dunkel. Richtig dunkel.

Ein schwarzes Loch, in das der Tunnel mündete. Es sah im ersten Moment aus wie eine Scheibe aus Obsidian, denn die Düsternis hatte sehr klare Kanten. Doch dann bemerkte er die beiden Steinsäulen, die sie begrenzten, und die Schwelle.

Kjeran hielt sich an einer der Säulen fest und griff in die Dunkelheit. Nichts. Sein Fuß tastete über die Schwelle, ob dahinter der Fußboden erreichbar war, doch er schwang ins Leere. Mit wild pochendem Herzen setzte er sich auf die Schwelle und versuchte weiter, nach dem Boden zu tasten. Doch in der absoluten Dunkelheit schien es keinen Boden und keine Wände zu geben. Seine Augen konnten keine Strukturen erkennen, dafür schien in seiner Fantasie die Schwärze um ihn herum mit einem Mal fest zu werden, greifbar.

„Nein, wird sie nicht. Das bildest du dir nur ein …“, murmelte er gegen seine wachsende Angst an.

Kjerans Ohren zuckten hin und her, als ihm bewusst wurde, dass er auch nichts mehr hören konnte. War neben dem Geräusch seiner eigenen Ohren zuvor noch ein leises, tiefes Brummen zu hören gewesen, von dem sein Vater immer behauptete, es sei das Lied des Felsens, so war es an diesem Ort nicht nur absolut lichtlos, sondern auch totenstill.

Er war gefangen in absoluter Stille, Dunkelheit und Einsamkeit.

Kjeran begann am ganzen Leib zu zittern, als sei es mit einem Mal schlagartig kälter geworden. Aber das war nicht der Fall, im Gegenteil. Trotzdem stand Kjeran kurz davor, den Rückweg anzutreten.

Er schloss die Augen und versuchte krampfhaft seine Atmung zu kontrollieren, die schnell und stoßweise ging. Dann blickte er sich nach einem losen Stein um. Doch während es in anderen Gängen manchmal tiefe Schichten Kies gab, so lag hier nicht ein einziges Steinchen auf dem Boden, und die Wände waren glatt wie Glas.

Leergefegt. Keine Möglichkeit, einen Stein in die Finsternis zu werfen, um herauszufinden, wie tief sie war. Oder um die Stille zu durchbrechen.

„Ich kann nicht zurückgehen“, sagte er laut vor sich hin, um der Stille zu trotzen. Während es sonst in jeder Höhle einen gewissen Nachhall gab, so schien die Düsternis vor ihm jegliches Geräusch zu verschlucken. „Sonst werde ich auf immer ihren Spott ertragen müssen. Aber ich traue mich nicht … ich habe Angst vor der Dunkelheit.“

Er verbesserte sich sofort: „Nein, falsch, ich habe Angst vor der Einsamkeit. Ich will nicht allein sein, in Stille und Dunkelheit gefangen. Ich will wieder unter Goblins, egal wie sie mich behandeln!“

Das konnte er ganz einfach bekommen, indem er zurückging. Doch ihm wurde bewusst, dass er dann in der Gruppe allein sein würde. Nahezu ausgestoßen, weil er damit alle Vorurteile der gleichaltrigen Goblins bestätigte und sie ihn nie in ihren Reihen aufnehmen würden. Abgesehen davon müsste er den Rest seines Lebens als einsamer Mann verbringen, weil die Goblinmädchen ihn gar nicht mehr beachten würden. Nicht einmal die Hässlichsten hätten dann noch einen Blick für ihn übrig.

Das Los der Versager.

Ehe er sich seines eigenen Handelns richtig bewusst wurde, drückten ihn seine Hände von der Schwelle weg und er sprang in die Finsternis. Der Fall erschien ihm endlos, wurde aber erstaunlich weich gebremst. Seine Füße versanken in einem riesigen Haufen feinsten Sandes und er kullerte eine seltsame Düne hinunter.

Am Fuß des Sandhaufens blieb er erst einmal keuchend sitzen und strengte seine Augen an. Zu seiner größten Überraschung konnte er wieder ganz normal sehen. Die Höhle, in die er gepurzelt war, wurde vom üblichen diffusen Licht erhellt. Als er nach oben blickte, dorthin, wo er hergekommen war, sah er erneut nichts als Schwärze. Doch er verschwendete keinen weiteren Gedanken daran, dass er gerade ins Ungewisse gesprungen war. Er hatte es geschafft, allein das zählte.

Mit einem erleichterten Seufzer ließ er den feinen Sand durch seine Finger rieseln. Dann entdeckte er etwas vor sich, am anderen Ende der großen Halle. Ein Dolch steckte dort in einem Felsspalt. „Ha, den soll ich sicher mitbringen. Ich habe meine größte Angst überwunden, die Angst vor der absoluten Einsamkeit.“

Er sprang aus dem Sandhaufen und wollte zu dem Dolch laufen. Doch er stockte wieder, als ihm bewusst wurde, dass er nicht allein war. Diese Gesellschaft war ihm allerdings alles andere als angenehm. Kjeran sah ihn nicht, aber er konnte ihn riechen und hören. Wie alle Schüler hatte man ihn schon einmal mit in die Wohnhöhle eines solchen Geschöpfes genommen, nachdem es sich daraus entfernt hatte, damit er die Zeichen der Gefahr niemals vergaß.

Und da war er auch schon. Ein Riesenolm. Schneeweiß, allein der Körper viermal so lang wie ein ausgewachsener Goblin hoch, dazu ein ebenso langer Schwanz. Der Kopf war flach und breit, mit einem Maul, das Kjeran quer hätte verschlucken können.

Er hat tatsächlich keine Augen, dachte Kjeran erschrocken. Nun, wozu auch, sehen kann er in den Höhlen sowieso nichts.

Es erstaunte den kleinen Goblin am meisten, wie ruhig er in Anwesenheit eines Wesens bleiben konnte, von dem er wusste, dass seine Leibspeise unvorsichtige Goblins waren. Erschwerend kam hinzu, dass sich das Biest direkt vor der Felsspalte mit dem Dolch postierte, lauernd und witternd, so dass sich Kjeran nicht auf seine Schnelligkeit verlassen konnte, um dem Zugriff des Olms zu entkommen.

Alles Wissen, das er in der Schule und aus Büchern in sich aufgenommen hatte, schoss ihm durch den Kopf. Er kann mich nicht sehen, aber er kann mich riechen und mit den seltsamen Fächern an den Kopfseiten spüren. Sie erfassen jede Luftbewegung.

Kjeran hielt den Atem an und begutachtete die Höhlenwände. Er entdeckte eine schmalere Seitenhöhle und beeilte sich, hineinzulaufen.

Eine Sackgasse!

Erschrocken drehte er sich nach seinem Verfolger um.

Der Olm bewegte sich mit einer für seine plumpen Proportionen erstaunlichen Geschwindigkeit auf ihn zu. Unwillkürlich wich Kjeran einige Schritte zurück. Die Tastfächer des Olms rieben an den Felswänden, als er den Kopf in die Höhle steckte. Dieser passte gerade so hinein, nur nach oben blieb viel Platz. Kjeran kicherte erleichtert, denn er sah die Lösung für sein Problem deutlich vor sich. Und dieser Plan würde aufgehen, weil seine zierliche Gestalt ihm genügend Bewegungsspielraum ließ. Bevor ihn der Olm erreichen konnte, nahm er Anlauf und sprang. Die hässliche Echse riss das Maul auf, doch Kjeran bekam seine wulstige Oberlippe zu fassen. Das gab ihm zusätzlich Schwung, um sich auf den Kopf zu katapultieren.

Es war die einzige Disziplin, in der er mit den anderen jungen Goblins mithalten konnte: Springen. Seine dürren Beine schienen wie Sprungfedern zu funktionieren. Er gelangte auf den Rücken des Olms und lief auf ihm entlang. Der Olm jedoch steckte fest, er konnte sich nicht drehen. Erst nach einer Weile gelang es ihm, rückwärts wieder aus der Höhle herauszukommen, wobei seine Tastfächer stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Aber da hatte Kjeran längst einen üppigen Vorsprung.

Er sprang zu dem Felsspalt, riss den Dolch heraus und rannte so schnell er konnte, bis er sicher war, dass ihm das Monster nicht mehr folgte. Ich frage mich, ob der Olm wirklich zu meiner Prüfung gehört hat oder ob der nur zufällig hier war. Es war so einfach. Ich habe nur mein Wissen wieder ins Gedächtnis zurückgerufen. Na, vielleicht gehörte er doch zur Prüfung und man wollte nur erfahren, ob ich aufgepasst habe.

Als er wieder ruhiger atmete, entdeckte er vor sich einen Lichtschimmer. Der Weg nach draußen? Tatsächlich wurde es immer heller.

„Brrr, draußen ist Tag und die Sonne scheint. Das wird auch eine harte Prüfung“, grummelte er und sah durch den schmalen Höhlenausgang nach draußen.

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